In Zeiten von Angst, Pandemie und vielfältigen Hoffnungs- und Vertrauensverlusten schaut der Mensch unwillkürlich nach Menschen aus, an deren Beispiel er sich ausrichten oder Inspiration holen kann, um durch die Krise hindurch zu kommen.

So ein Mensch, der schwierige Lebenssituationen meisterte und uns heute in Pandemiezeiten lebenden Menschen manches sagen kann, ist Schwester Emilie Engel. Heute am 6. Februar vor genau 128 Jahren in Husten im Sauerland als viertes von zwölf Kindern geboren, wächst sie in einer Großfamilie auf. Ihre Startbedingungen sind alles andere als ideal. Früh leidet sie unter der falschen Vorstellung, dass Gott ein strenger Richter ist und durchlebt so durch ihre gesamte Kindheit und Jugend hindurch schwerwiegende Ängste und Zwänge, die ihre Lebensfreude drosseln.

Wenn Vertrauen wächst, schwindet die Angst

Als junge Lehrerin im sozialen Brennpunkt im Ruhrgebiet unterrichtet sie nicht nur die Bergarbeiterkinder, sondern betreut ganze Familien engagiert in deren Armut, Krankheit und seelischen Nöten. 1921 entdeckt sie Schönstatt und das Liebesbündnis für sich und wird eine der Mitgründerinnen der Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern. Trotz dem Ausbruch von Lungentuberkulose 1935 und den folgenden Jahren zahlreicher Krankenhaus- und Sanatorienaufenthalten wird sie zur liebevollen mütterlichen Frau, die sich um die Menschen in ihren Freude, Frage und Schwierigkeiten kümmert. Durch Pater Kentenichs feinfühlige geistliche Begleitung wächst in ihr ein ganz neues Gottesbild: der liebende Vatergott, der sie persönlich liebt und dem sie sich vollkommen anvertrauen kann. Dieser Vorsehungsglaube befreit sie Schritt für Schritt von ihren tief sitzenden Ängsten und verleiht ihr eine starke innere Freude, tiefe Gelassenheit, ja Sorglosigkeit trotz Krieg und Nachkriegszeit. In dem Maße ihr Vertrauen wächst, schwindet ihre Angst.

Schwester Emilie 2 Den Sprung in Gottes Arme wagen

Immer neu wagt sie den Sprung in Gottes Arme und spricht ihr „Ja, Vater“ auch zur gnadenlos fortschreitenden Krankheit (sie ist zuletzt fast ganz gelähmt und kann auch nicht mehr sprechen) und einer ungewissen Zukunft. Ihr Lieblingsgebet(lied) ist eine Zusammenfassung ihres Glaubens und Lebens: Ich weiß, dass du mein Vater bist, in dessen Arm ich wohl geborgen. Ich will nicht fragen, wie du führst, ich will dir folgen ohne Sorgen. Und gäbest du in meine Hand mein Leben, das ich selbst es wende, ich legt in kindlichem Vertraun, es nur zurück in deine Hände.

1955 stirbt sie. Ihr Grab in Metternich wird von zahlreichen Menschen besucht und liebevoll geschmückt, unter anderem durch kleine Landesfahnen, die Besucher an ihrem Grab zurücklassen. Sie wird als Helferin in zahlreichen Nöten erfahren. Der 1999 eröffnete Seligsprechungsprozess wird seit 2002 in Rom weitergeführt. Für ihre Anerkennung fehlt „nur“ ein medizinisches Wunder.

Schwester Emilie für heute

Pater Kentenich war immer überzeugt, dass Schwester Emilie Not, Schwäche und Angst selbst so massiv erleiden musste, weil Gott ihr eine besondere Sendung für die Menschen unserer Zeit, dessen Grundbefindlichkeit die Angst ist, zugedacht hat. Und genau da hat die Pandemie uns wieder am Wickel: die Angst. Wir haben Angst, uns anzustecken, wir haben Angst, allein im Krankenhaus sterben zu müssen. Wir haben Angst, dass Politiker die falschen Entscheidungen treffen. Wir haben Angst, was Coronaleugner aller Schattierungen in unserem Land und unserer Gesellschaft anrichten. Und dann kommt da noch eine ganz neue Angst hinzu, mit der wir bis jetzt gar keine Erfahrung haben: die Angst, andere anzustecken. Die Angst, dass andere schwer erkranken oder sterben, weil wir sie angesteckt haben.

Botschafterin des Vorsehungsglaubens

Schwester Emilie kann uns durch die engen Tunnel der Angst begleiten. Sie hat ihr ganzes Vertrauen auf einen liebenden, gütigen, allwissenden Vatergott geworfen. Sie rät uns: ‚Darum wollen wir Gottes Zeichen sehen und ihnen folgen, wollen überall seine Stimme hören und ihr gehorchen, wollen auf die Türen achten, die seine Hand uns öffnet.‘ Ein Wechsel der Blickrichtung ist angesagt: weg von unserer zermarternden Angst, hin zu der Suche nach Gottes wegweisenden Zeichen, nach all dem, was trotz der Einschränkungen möglich ist. Dann können wir kreativ neue Wege suchen, im Gespräch mit dem liebenden Vatergott bleiben, den ganzen Tag, während der Arbeit, des Tuns oder Ruhens. Fragen wir ihn um Rat, loben, danken, klagen wir im Gespräch mit ihm. Das zerbricht die Ketten unserer Angst. Dann wächst das Vertrauen und die Angst schwindet.

„Ein sicheres Mittel: das vertrauensvolle, beharrliche Gebet“

So hat Schwester Emilie es erfahren. Sie hat viel gebetet, allein in den Zeiten, in denen sie krankheitsbedingt wochenlang nur still und unbeweglich liegen durfte oder furchtbare Schmerzen ertragen musste durch operative Eingriffe. Sie hat den Alltag gebetet, immer in Rückbindung mit Gott, nach dem Rat Pater Kentenichs: „Je tiefer Sie ihre Hilflosigkeit spüren, desto zuversichtlicher sollten Sie den Sprung in die Vaterarme Gottes und der Gottesmutter wagen.“

Beten wir für andere, vor allem für die Vielen, die sich bis an ihre Grenzen einsetzen.Sie brauchen unser Gebet. Beten mit anderen, das ermutigt und stärkt unsere Beziehungen. Wenn wir beten, brauchen wir nicht ständig selber reden. Viel wichtiger ist es, Gott Raum geben, uns seine Impulse und Wünsche mitzuteilen. Beten heißt die Blickrichtung ändern, abgeben. Denn es geht nicht darum, Gott meinen Willen aufzudrängen, sondern meinen Willen von seinem formen zu lassen.

Schwester Emilie Leben aus dem Taufbündnis

Schwester Emilie lebte tief aus ihrer Taufe, die zwei Tage nach ihrer Geburt stattfand. Sie sagt: „Das Geheimnis dieses Tages ist so groß, so unaussprechlich; ich vermag es gar nicht auszudenken. Wie soll ich danken? Mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele erneuere ich heute mein Taufversprechen. Ehre sei dem Vater in mir, dem Sohn in mir, dem Heiligen Geist in mir! Amen.“ Ob auch uns diese Ehrfurcht vor dem Geschenk des eigenen Lebens helfen kann, verantwortungsvoll die anderen und uns zu schützen? Jedes Leben ist so unendlich kostbar. Das Wort Gottes, das er sprach bei der Taufe seines Sohnes im Jordan gilt auch jedem von uns: „Dies ist mein geliebter Sohn, (ich darf einfügen: meine geliebte Tochter), an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ Diese Zusage ermutigt und lässt Aufbruch wagen.

Einsatz für die Menschen

Frei von sich selbst, wendet sich Schwester Emilie vielen Menschen zu, rät, tröstet, ermutigt und stärkt, alles aus dem inneren Impuls heraus: „Wir müssen die Ärmsten am wärmsten lieben.“ Menschen, die sich in Pandemiezeiten anderen Menschen zuwenden, denen beistehen, die einsam sind, trotz Kontaktbeschränkungen Kontakt und Nähe über neue mögliche Wege halten, kommen besser durch die Krise. Auch hier gilt es, die „Ärmsten am wärmsten zu lieben.“

Neue Novene

Novene

Viele Menschen auf der ganzen Welt erfahren, indem sie sich an sie wenden, dass Schwester Emilie wieder Licht in ihr Leben bringt, ein Licht das Gottes bergende und sorgend Liebe und Nähe ausstrahlt. Schwester Theres-Marie Mayer hat eine hilfreiche neue Novene verfasst. Sie liegt zurzeit erst in deutsch vor, die spanische Fassung ist in Bearbeitung. Der wegweisenden Titel: Vertrau doch und spring! In lebensnaher Weise werden Trapezkünstler – Fänger und Springer – beschrieben und anhand Schwester Emilies Leben praktisch umsetzbar für das persönliche Leben gestaltet.

Gerne besuche ich am Geburtstag von Schwester Emilie ihr Grab und entzünde für alle Sie, die Sie diesen Artikel lesen, eine Kerze.