Frau Kostka, Sie sind mit Josef Engling seit Jahren verbunden …
Ja, ich habe Josef Engling als Theologiestudentin an der Katholischen Universität in Lublin in Südpolen kennengelernt, als ich dort der Schönstattbewegung begegnet bin. Mich hat vor allem berührt, dass Josef Engling aus meiner Heimat, dem Ermland, dem früheren Ostpreußen, stammt. Das Interesse an meinem Landsmann ist schnell größer geworden. Nach und nach entwickelte sich daraus eine Aufgabe: 1997 übernahm ich die Verantwortung für sein Geburtshaus im polnischen Prosity. Dies führte zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit seinem Leben, da ich immer mehr die Notwendigkeit sah, ihn in der Umgebung seines ehemaligen Wohnortes, aber auch in der internationalen Schönstattbewegung bekannt zu machen bzw. seine Sendung tiefer und für heute zu erschließen. Es folgten Workshops, Pilgerfahrten und Veröffentlichungen und mein Leben wurde mehr und mehr mit Josef Engling verbunden.Für Josef Engling läuft seit längerem ein Seligsprechungsprozess. Wie waren die Etappen dieses Prozesses bis jetzt?

Welche Fragen wurden vom Dikasterium für die Seligsprechung neu gestellt?
Die Fragen beziehen sich auf den Umgang Josefs mit den Schwierigkeiten seines Charakters. Dazu gehört sein Ringen mit seinen Stimmungsschwankungen. Engling neigte zur Melancholie und musste sich oft aus der Trägheit aufraffen. Die Kardinäle wollen Klarheit erlangen, ob er aus religiösen Motiven den Kampf gegen diese Charakterschwäche aufgenommen hat oder aus menschlichen, rein willensmäßigen (volitiven) Motiven, ja eventuell aus einem gewissen Starrsinn heraus. Als zweites wird die Frage gestellt, ob eine Persönlichkeit, die eine Neigung zu „leichten Süchten“ zeige (u.a. geht es um seine Neigung zum Kartenspiel) der Jugend als Vorbild vorgestellt werden kann, so die Kardinäle. Des Weiteren geht es um die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen des militärischen Dienstes. Es wird gefragt, ob er diesen tatsächlich immer pflichtmäßig, wie es sich für einen Soldat gehört, erfüllt habe und den Befehlen gefolgt sei. Dass er – wie es den Anschein habe – nicht immer auf sein Äußeres geachtet habe, ist Quelle für die Zweifel der Urteilenden. Und schlussendlich kann man nach wie vor nicht eindeutig feststellen, ob Josef Engling im Rahmen seines Militärdienstes jemanden getötet hat oder nicht. All diese Fragen münden in der generellen Frage, ob seine Person tatsächlich eine Relevanz für die heutige Jugend haben könne.
Wie schätzen Sie diese Fragen ein? Lassen sie sich zufriedenstellend beantworten? Und welchen Anruf sehen Sie hinter dieser Infragestellung der Person Englings?
Mir scheint, dass wir diese Fragen als Chance begreifen sollten, Josef Engling vertieft und auch neu zu entdecken. Vielleicht wartet gerade die heutige Jugend auf so ein Vorbild. Für mich jedenfalls sind die Fragen Anlass, diese wichtige Mitgründergestalt Schönstatts tiefer zu ergründen. Wir müssen uns mit ihm eventuell neu auseinandersetzen. Schon eine erste Beschäftigung mit den Fragen überzeugte mich, dass sein Leben ein Beispiel dafür ist, wie man mit Unzulänglichkeiten des eigenen Charakters umgehen, und sie – im Liebesbündnis mit Maria – schlussendlich überwinden kann. Die an seinem Lebensbeispiel beobachtbare bewusste, religiös motivierte Persönlichkeitsentwicklung an der Hand Gottes und der Gottesmutter kann gerade mit dem sichtbaren Bemühen für junge Menschen ein wertvolles Beispiel sein. Ihn hat die Liebe motiviert, vor allem die Liebe zu Maria. Aus dieser Liebe heraus hatte er die Kraft, sich seine Schwächen zunächst einzugestehen, sie dann anzugehen und schließlich zu überwinden. Vielen Schönstättern und Freunden Josef Englings ist das Stichwort „Remonville“ bekannt. Josef zeigt hier, wie er aus einer Niederlage aufstehen kann, um neu zu beginnen – in einer äußerst ungünstigen Umgebung und unter den schwierigen Umständen des Krieges. Dieses Bespiel wurde vielen Menschen aus verschiedenen Generationen eine Hilfe. Gerade die heutige Jugend (aber nicht nur sie!) sieht sich mit diversen Abhängigkeitserfahrungen und -gefahren konfrontiert. Auch in der Frage seines Umgangs mit seinen Stimmungsschwankungen, die er ganz bewusst angeht, zeigt sich, dass Josef Engling da im Sinne der Selbsterziehung einen originellen Weg gefunden hat, um diesen Schwankungen ganz bewusst die Stirn zu bieten, und das als sehr junger Mann! Dies tat er – wie auch beim Überwinden anderer Schwierigkeiten – in inniger Verbindung mit der Gottesmutter Maria – auf ihre Hilfe vertrauend, aber viel mehr für sie und für das werdende Schönstattwerk als eine neue geistliche Gemeinschaft, als einen göttlichen Aufbruch, den er mit allen Sinnen erleben durfte.Und die Frage, ob er je geschossen und getötet hat?
