Die etwa 200 Gläubigen, die an der kurzfristig angesetzten Feier teilnahmen, gedachten des bisher einzigen Papstes mit deutscher Staatsangehörigkeit, der die katholische Kirche von 2005 bis 2013 knapp acht Jahre lang leitete. Nach seinem Amtsverzicht am 28. Februar 2013 lebte er noch fast 10 Jahre als Papst emeritus im Vatikan, wo er am 31. Dezember 2022 starb.

Den Wert der Wahrheit transparent gemacht

Anwesenheit Christi
Pater Heinrich Walter, Mitglied im Team der Internationalen Koordination der Schönstatt-Bewegung (Foto: Becker)

Eigentlich bei jedem Menschen, der geht, könne man sich fragen, was Gott durch ihn zu den Menschen gesprochen, was er der Menschheit durch diesen konkreten Menschen geschenkt habe, sagte Pater Heinrich Walter bei der Eröffnung der Feier. „Ich habe unseren Papst Benedikt erlebt als einen, der die Wahrheit so sagen konnte, dass ihr Wert leicht erkannt wurde und dass dieser Wert der Wahrheit für mich zu einer eigenen Erfahrung – nämlich wertvoll – geworden ist“, so fasste Walter, Mitglied im Team der Internationalen Koordination der Schönstatt-Bewegung, der dem Gottesdienst als Hauptzelebrant vorstand, seine Erinnerung an die Persönlichkeit Benedikts XVI. zusammen. Mit diesem Gottesdienst nehme die Schönstatt-Bewegung Abschied von ihm, nicht ohne zu betonen, das Erbe zu bewahren, das er hinterlassen habe.

Mitmenschlichkeit als eine natürliche Vorerfahrung Gottes

Predigt: Pater Prof. em. Dr. Lothar Penners Isch (Foto: Becker)

Pater Lothar Penners kam die Aufgabe zu, in einem – wie er betonte – eher „streifenden Blick“ einige Aspekte zur Bedeutung der geschichtlichen Gestalt Josef Ratzingers oder Benedikt XVI. zusammenzutragen.

Die erste Perspektive sei die menschliche Art, seine Mitmenschlichkeit, die viele in der Begegnung mit der Person des Verstorbenen erlebt hätten. Als Beispiel nannte Penners Zeugnisse von Studenten der Bonner Fakultät, die Ratzingers Bescheidenheit rühmten, und betonten, mit welchem Respekt und Entgegenkommen er z.B. jedem Semesterprüfling begegnet sei. „Ohne diese menschliche Eigenart“, so Penners, „wäre ein Deutscher nach dem Tod von Johannes Paul II. sicher kaum zum Papst gewählt worden.“ Bischöfe aus der ganzen Welt, die mit der Kurie zu tun hatten, hätten wohl das Gefühl gehabt, bei ihm ernst genommen zu sein, egal von welchem Erdteil sie kommen. Die Mitmenschlichkeit Joseph Ratzingers, habe allerdings noch eine tiefere Begründung gehabt als nur seine bescheidene und unaufdringliche Art. Er sei der Auffassung gewesen, dass in einer Zivilisation, „in der das berechnende und planende Denken führend ist“, dem Menschen immer mehr die Möglichkeit genommen sei, eine natürliche Vorerfahrung Gottes zu machen. Für Ratzinger habe das „Brüderliche“ und das „Geschwisterliche“ eine sakramentale Dimension. In einer Zeit, in der alles berechenbar geworden ist, „braucht es das geheimnisvolle Angerührt werden durch jemand, durch etwas, das anders ist als wir und uns doch in die Gemeinschaft in die Kommunikation hineinruft.“

Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Foto: Becker)

Theologische Genialität

Eine zweite Perspektive sei der Blick auf den Theologen, so Penners. Es sei nicht möglich, in einer solchen Predigt das theologische Lebenswerk des späteren Papstes mehr als nur zu streifen. Karl Lehmann, der inhaltlich nicht immer mit Ratzinger übereingestimmt habe, habe ihm „etwas wie eine theologische Genialität, nicht nur eine Begabung“ bescheinigt. Der aufgeschlossene und moderne Theologe Ratzinger, so Penners, habe eine gut zu verstehende Sprache, die es nicht notwendig mache „erst die schwere Rüstung des Philosophen Kant anzuziehen, um etwas von seiner Theologie zu verstehen.“ Ratzinger sage nicht nur, was er wahrnehme, „sondern oft erschließen sich die Geheimnisse etwa dadurch, wie er über etwas spricht“. Das hätten viele seiner Studenten „als Brücke zu einer eigenen Glaubenserfahrung empfunden.“

Neben anderem griff Penners Ratzingers Bemühen auf, in einer Zeit, in der es immer un-selbstverständlicher sei über die letzten Dinge wie die Unsterblichkeit der Seele und die Sterblichkeit des Leibes zu sprechen mit dem Konzept der dialogischen Unsterblichkeit eine Verstehenshilfe anzubieten: „Was macht den Menschen zum Menschen? Und was macht den Menschen reif für die Ewigkeit? Das ist sein Angewiesensein auf ein gegenüber auf das Du und nur, wenn das unendliche Du den sterbenden und den gestorbenen Menschen erneut und vertieft in seinen Dialog hineinnimmt, dann landet der Mensch bei Gott,“ so der Prediger.

„Oft erschließen sich die Geheimnisse etwa dadurch, wie er über etwas spricht“ (Foto: Becker)

Die Welt ein stückweit nachdenklicher gemacht

Als dritte Perspektive richtete Penners den Blick auf die Frage, wie Benedikt XVI. unter Papst Johannes Paul II. dem Petrus Amt gedient und es später selbst ausgeübt habe. In diesem Zusammenhang könne man viel Schönes über den Theologen, über den Prediger und über den Mitchristen sagen, allerdings könne man auch nicht an den Spannungen und Auseinandersetzungen vorbeigehen. Penners nannte beispielhaft „die Auseinandersetzung mit Hans Küng, die Spannung zur Deutschen Bischofskonferenz, was die Schwangerschaftskonfliktberatung angeht, und die, vor allem mit einigen lateinamerikanischen Theologen immer wieder geführte Auseinandersetzung nach der Berechtigung oder nicht Berechtigung einer Theologie der Befreiung.“ Diese Auseinandersetzungen seien teilweise unumgänglich gewesen, hätten aber etwas schicksalhaftes gehabt und seien manchmal auch tragischer Natur gewesen.

Mit vielen seiner Stellungnahmen habe der Papst dazu beigetragen, „die Welt ein stückweit nachdenklicher zu machen“. In der großen Rede im Berliner Reichstagsgebäude habe er den Parlamentariern z.B. die Gestalt des weisen Salomons, des Königs der Israeliten, vor Augen geführt, der um ein hörendes Herz gebetet habe. Auch habe er von der „Ökologie des Menschen“ gesprochen und die Frage gestellt, ob es nicht nur eine Integrität der Natur, sondern auch eine Integrität des Menschen gäbe? Für die Stellungnahmen zum kirchlichen Leben in Deutschland habe sich beim Vortrag in Freiburg allerdings gezeigt, „dass hier die Divergenzen zwischen dem kirchlichen Leben, wie es sich zunehmend artikulierte, und seinen Vorstellungen schon beträchtlich auseinander gingen“, so Penners.

Fürbitten werden von einem Ehepaar aus dem Schönstatt-Familienbund vorgetragen (Foto: Becker)

Herausforderung: die Anwesenheit Christi, die Anwesenheit Mariens garantieren

Je mehr die Kirche in der Gesellschaft in die Minderheit gerate, umso mehr ist sie berufen, im Sinne des Evangeliums, Licht und Salz der Welt zu sein. Das sei Benedikts Überzeugung gewesen, so der Prediger. Dafür bräuchte es sicher auch strukturelle Veränderungen. Diese allein könnten aber das Licht des Evangeliums noch nicht zum Leuchten bringen. „Unser Winter als Kirche ist die Abwesenheit Christi“, habe Ratzinger mit Worten des Heiligen Augustinus beim Requiem von Hans Urs von Baltasar in der Schweiz gesagt. „Eine Kirche, die alt scheint, eine Kirche, die zu wenig Resonanz hat, eine Kirche, die im Widerstreit mit sich selbst lebt – würde Augustinus sagen – die ist gekennzeichnet durch die Abwesenheit Christi,“ so Penners. Für eine Bündnis-Bewegung wie Schönstatt sei doch genau das die wesentliche Aufgabe: die Anwesenheit Christi, die Anwesenheit Mariens zu garantieren. Dann habe auch eine Minderheitskirche die spirituelle Kraft, Gesellschaft zu verändern.

Quelle: Schoenstatt.de