Die Rede ist von einer jungen Frau aus der Schönstatt-Bewegung, die ihr Apostolat als „Lebensbejaherin“ gefunden hat. Dass sie im Interview anonym bleiben möchte, liegt daran, dass Gegner des Lebensschutzes auf Menschen wie sie inzwischen oft radikal mit Hetzkampagnen und mehr reagieren. Im Interview mit schoenstatt.de macht sie deutlich, was ihr wichtig ist.
Sie haben jahrelange Erfahrung mit und Kontakt zu schwangeren Frauen in Not. Und Sie betonen Ihr christliches Wertefundament. Würden Sie sich als Lebensschützerin bezeichnen?
Das ist eine spannende Frage. Eigentlich bezeichne ich mich nicht so und tue mich etwas schwer mit dem Begriff. Denn inzwischen gibt es auch sehr extreme Richtungen unter den sogenannten Lebensschützern und mit diesen identifiziere ich mich nicht.
Mir ist das ungeborene Leben wichtig. Für mich beginnt es ab dem Zeitpunkt, in dem sich Ei- und Samenzelle verschmelzen. Es ist für mich ein Wunder, ab dann Leben und dementsprechend schützenswert. Ungeborenes Leben braucht Fürsprecher, eine Stimme, denn ein Kind im Mutterleib kann seine eigene Stimme ja noch nicht äußern.
Ist der Blick „nur“ auf das ungeborene Leben nicht zu einseitig?
Manche Lebensschützer blicken nur auf das ungeborene Kind und nicht auf die schwangere Frau, ja verurteilen und moralisieren bisweilen ausschließlich. Das ist nicht meine Haltung. Meiner Meinung nach kann ich Mutter und Kind nur zusammensehen. Ich vergleiche das mal so: Wir haben in Schönstatt eine Beziehung zu Maria, der Gottesmutter, und dürfen die tiefe Verbundenheit zu ihrem Sohn spüren. Wir glauben und erfahren, dass sie zu Christus führt. Es ist eine Herzensverbindung, etwas zutiefst Menschliches.
Viele Schwangere spüren und wissen im Übrigen um diese Verbindung zu ihrem Kind und sprechen davon. Deshalb treffen sie in der Regel keine leichtfertige Entscheidung.
Wie würden Sie sich dann bezeichnen?
Ich bezeichne mich als „Lebensbejaherin“.
Wie meinen Sie das? Was verstehen Sie darunter?
Ich bejahe das Leben – in seiner Fülle. Das Leben des Kindes und das Leben der Frau. Ich bejahe das Leben mit seinen Höhen und Tiefen, mit Freude und Leid. Insofern bejahe ich auch Konfliktsituationen und dass Frauen da hineingeraten können. Ich möchte nicht schwarz-weiß malen, sondern das Leben in all seinen Farben und Facetten betrachten und schätzen. Paradies ist eben woanders.
Wenn ich schwangeren Frauen in Not begegnet bin, gibt es vieles, was sie an Sorge und Leid mitbringen. Das sehe ich und ich nehme es ernst. Die Frauen selbst befinden sich meist wie in einer inneren Zerreißprobe und das Kind an sich ist in dem Sinne nicht das Problem, sondern vieles andere Drumherum, zum Beispiel der fehlende Schul- oder Berufsabschluss, die finanzielle Lage, Überforderung, keine Unterstützung im Umfeld, Partnerschaftsprobleme, und so weiter. Ich schaue mit der Frau zusammen an, was ihr helfen könnte, besonders auch auf lange Sicht hin. Wir schauen was zu ihren Überzeugungen passt und wie so mancher Stein auf dem Weg weggeräumt werden könnte.
Sie bejahen also die Situation der Schwangeren und des Kindes …
Ja, ich bejahe das Leben, aber ich überlasse mich nicht einfach dem Leben, sondern suche zugleich nach tragfähigen Lösungen und Möglichkeiten, die stimmig sind. Ich nehme das Leben sozusagen in die Hand. Ich bin der Meinung, eine Schwangere in Not hat ein Recht auf Hilfe und Unterstützung, damit sie aus dem Konflikt herauskommt und ihr Leben wieder in die Hand nehmen kann. Da reicht manchmal schon ein offenes Ohr. Manchmal ist praktische Hilfe notwendig. Und manchmal braucht es ganz viel Unterstützung, die sich in viele Lebensbereiche hinein erstreckt. Dann erst, wenn sämtliche Steine aus dem Weg geräumt werden können, ergibt sich die Chance, wirklich innerlich frei wählen zu können.
Im Blick auf das politische Streitthema. Was empfinden Sie als schwierig?
Über die Forderungen der „Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen“ oder beispielsweise „reproduktiver Gesundheit“ kann man leicht drüber lesen, wenn man sich mit der Terminologie nicht genauer beschäftigt. Das kann sehr schnell irreführend sein. Dahinter stecken oft ideologische Denkmuster, ein Feminismus, der nur das Leben der Frau als lebenswert betrachtet. Und es geht um ein Recht auf Abtreibung, sozusagen zu jeder Zeit.
Und was macht diese angebliche Freiheit dann mit einer Schwangeren?
Ein Beispiel: Mit Ablauf der 12-Wochenfrist fällt bei vielen schwangeren Frauen eine Art Druck ab. Unter anderem, weil das Umfeld dann nicht mehr zu Abtreibung drängen kann, oder weil damit eine Entscheidung steht. Fallen die umstrittenen Paragraphen weg, dann könnte für manche Schwangere der Druck bis zur Geburt bestehen bleiben, sich doch noch für eine Abtreibung entscheiden zu müssen. Und das ist es ja, was innerlich unfrei macht. Frauen erleben sich unter großem Druck. Druck engt ein. Dahingegen sollten so viele Angebote wie möglich für Frauen bestehen, damit sie wieder aufatmen und ein Leben mit Kind für möglich und machbar erachten können.
Christsein und politisch sein? Wie passt das für Sie zusammen?
Ich lebe ja in dieser Welt und in dieser Gesellschaft und habe von Gott das Leben auf und in dieser Welt geschenkt bekommen. Damit habe ich zugleich einen Auftrag, erhalten. Für mich gehört es dazu, aus meinem Christsein heraus gesellschaftliche Themen mitzugestalten. Sei es, wie wir mit unserer Erde umgehen, für Gerechtigkeit und Frieden einstehen oder unser Miteinander gestalten.
Meine Wurzeln, mein Glaube, ist mein Fundament. Daraus lebe ich. Ich finde, dass wir als Christen die Augen offenhalten und wachsam sein müssen, was die Gesellschaft bewegt.
Und dann kommt die Freiheit ins Spiel: Jeder muss für sich selbst schauen: Wo setze ich mich ein und wie – eben auch entsprechend der eigenen Fähigkeit und Berufung. So haben wir als Christen auch nicht alle dieselbe Meinung, weil wir einfach Individuen sind. Aber ich glaube, es gibt Werte, für die wir einstehen dürfen und sollten. Daher möchte ich auf dieses Thema aufmerksam machen. Ich möchte aufmerksam machen, dass es hier um das Leben geht.
Welche Möglichkeiten sehen Sie für sich, im Blick auf die Politik?
Was mein Anliegen betrifft, von dem ich hier erzähle: Da habe ich eine Petition unterschrieben (siehe unten). Denn ich kann und möchte nicht still hinnehmen, was sich gerade tut. Ich möchte mit meiner Unterschrift zumindest klar machen: Moment mal, ich denke nicht, dass es das Beste für schwangere Frauen ist, wenn sie bis zur Geburt die Möglichkeit haben, abzutreiben. Ich unterstütze diese Strömungen nicht und ich möchte daher für die Kinder einstehen, die im Mutterleib bereits leben!
Eine Frage zum Schluss: Welche Welt wünschen Sie sich – im Hinblick auf das Thema Lebensschutz?
Dass wir Christen unsere von Gott geschenkte Würde nicht vergessen und somit für ein menschenwürdiges Leben von Beginn an und bis zum Tod einstehen. Dass Mädchen und Frauen starke Persönlichkeiten sein dürfen und ein Recht auf Hilfe haben – auch und gerade in einem Schwangerschaftskonflikt. Ich wünsche mir weniger Schubladendenken und Verurteilung, sondern mehr offene Herzen. Ich wünsche mir eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft, in der Kinder bekommen nicht bis aufs äußerste geplant wird und wenn es anders kommt, dann „das Kartenhaus zusammenfällt“. Ich wünsche mir mehr Unterstützung für Familien und alleinerziehende Mütter. Ich wünsche mir, dass jedes Kind willkommen ist!
Vielen Dank für dieses Gespräch und ihr Engagement.