Ein Besuch in Gymnich, einem Ort der Verwandlung – Gehen wir zusammen?

Sr. M. Isabel Machado

Am 16. November 1885 fand in Gymnich ein ganz gewöhnliches Ereignis statt: die Geburt eines Kindes: Josef Kentenich.

In Gymnich! Ein kleines Städtchen mit damals 1901 Einwohnern, in dem vor allem sehr arme Leute lebten: Handwerker oder Bauern, ein Ort, den jeder kannte. Aber ist diese Information wirklich wichtig, wenn wir über das Leben von Pater Kentenich sprechen?

Der Geburtsort eines Menschen ist viel mehr als ein persönliches Detail in seinem Personalausweis. Die Kirche hat zum Beispiel in mehreren Fällen den Brauch, die Namen von Heiligen mit ihren Geburtsorten zu verbinden: Franziskus von ASSIS; Teresa von ÁVILA, Ignatius von LOYOLA.

Franziskus, Teresa und Ignatius wurden von diesen besonderen Orten geprägt, und diese wiederum verdanken ihre Bedeutung und ihren „Ruhm“ diesen Heiligen. Wir dürfen Jesus und Maria von NAZARETH nicht vergessen. „Der Ort der Inkarnation unseres Glaubens verlangt diesen Ort in Raum und Zeit“ (Pater Angel Strada – zum 120. Geburtstag von Pater Kentenich).

Das Großelternhaus: ein Ort der Gastfreundschaft

Am Geburtstag Pater Kentenichs sind wir eingeladen, seinem Geburtshaus in Gymnich einen „geistigen“ Besuch abzustatten. Wir wissen, dass Josef als Kind im Haus seiner Großeltern wohnte, auf einem kleinen Grundstück, das die beiden kurz nach ihrer Heirat erworben hatten. Hier lebte Josef bis zu seinem achten Lebensjahr, umgeben von der Freundlichkeit und Religiosität seiner Großeltern, von „Abenteuern“ mit seiner Cousine Henrietta und vor allem von der Zärtlichkeit seiner Mutter Katharina, einer fleißigen, hilfsbereiten, sparsamen, bescheidenen und tief religiösen Frau, die ihre Familie sehr liebte. „Meine Mutter war eine sehr edle und heilige Frau“, sagte Pater Kentenich in einem Gespräch.

In diesem Umfeld lernte Josef schon früh lesen und fühlte sich so angenommen und geliebt, dass sich seine charakterliche Veranlagung, seine Willenskraft, seine innere Suche nach Freiheit und seine Wahrheitsliebe frei und ursprünglich entwickeln konnten.

Der Dachboden und seine persönliche Botschaft an jeden von uns

Es ist sehr beeindruckend, das Haus zu sehen, in dem der kleine Josef Kentenich lebte. Aber noch beeindruckender ist es, den Ort zu sehen, an dem er geboren wurde: auf dem Dachboden, einem kleinen Raum, der zum Schlafzimmer für die junge Mutter wurde, die auf ihren Sohn wartete. Dort stellte sich die Mutter ihrer eigenen Angst und ihrem Kummer, was sie dazu brachte, ihr Kind, das noch im Mutterleib war, zum ersten Mal der Fürsorge der Gottesmutter zu weihen.

Ein Bett und ein kleiner Korb, der zur Wiege umfunktioniert wurde (auch wenn es sich dabei nicht um die Originale jener Zeit handelt, sondern um Rekonstruktionen), lassen uns die Armut und Einfachheit erahnen, in der diese Familie lebte.

Die Kindheit und Jugend Pater Kentenichs war geprägt von großen familiären Schwierigkeiten: Schmerz, Trennung und Einsamkeit, die sein Leben zweifellos prägten. Er hat jedoch nicht zugelassen, dass diese Schwierigkeiten sein Leben bestimmen. Seine tiefe marianische Erfahrung, in der er Maria als „Gleichgewicht des Universums“ und seines eigenen Lebens, als Mutter und Erzieherin erlebte, formte ihn und öffnete sein Herz für einen unerschütterlichen Glauben an die Vorsehung Gottes, was ihn nicht nur zu einem großen Gründer, sondern auch zu einem Vater und Erzieher vieler Seelen machte.

Wenn wir diesen Ort besuchen, sind wir daher eingeladen, über unsere eigene Herkunft und unser eigenes Leben nachzudenken. Auch wir tragen in unserer Geschichte den Ort unserer Geburt und das „Umfeld“, in dem wir leben. Eltern, Geschwister, Großeltern, Verwandte, Nachbarn! Wir können sagen: „unsere verborgenen Jahre“!

Pater Kentenich lädt uns heute in besonderer Weise ein, unser Leben durch die „Brille der göttlichen Vorsehung“ zu betrachten. Halten wir einen Moment inne und denken wir nach: Familiäre Situationen, familiäre „Belastungen“, verletzte Gefühle… welche Spuren haben sie in meinem Leben hinterlassen? Wie lebe ich mit diesen „Spuren“? Kann ich in diesen „Spuren“ – oder vielleicht Wunden – die Liebe und den Plan Gottes für mein Leben entdecken? Und was machen wir mit all dem? Wir können nicht ändern, was wir nicht akzeptieren oder was uns in unserem Leben verletzt, aber wir können lernen, Gott in dem zu finden, was uns verletzt und Spuren hinterlässt. Das ist keine „Zauberlösung“, und das sollte es auch nicht sein! Aber es ist ein Weg, der uns hilft, eine viel persönlichere und intimere Beziehung mit dem „Gott des Lebens“ zu haben.

Der Garten des Hauses: ein Zeichen für den Kampf ums Leben

In dem kleinen Garten hinter dem Haus steht ein Bildstock, der 2007 eingeweiht wurde: ein Reliefbild der Dreimal Wunderbaren Mutter, Königin und Siegerin von Schönstatt und ein Symbol am Fuß einer Steinsäule. Dieses Symbol stellt eine aufnehmende Hand dar, auf der ein neugeborenes Kind ruht. Es will die Hand des Vatergottes ausdrücken, der das Leben Pater Kentenichs lenkte und leitete, die Hand seiner Mutter Katharina, die dieses Kind unter schwierigen Umständen annahm und aufnahm. Sie steht aber auch für unsere Hand, die aufgerufen ist, jedes Leben, auch das eigene, anzunehmen und zu bejahen, besonders dann, wenn es Schutz und Hilfe zur Entwicklung braucht.

Mutterkirche, wo die Träume beginnen

Zur Umgebung des kleinen Josef gehörte die Pfarrkirche St. Kunibert. Hier versammelte sich die Familie zur Eucharistiefeier und zum persönlichen Gebet. Hier wurde er auch am 19. November getauft, und das Taufbecken, das wir heute in der Kirche finden, ist dasselbe wie das, in dem er getauft wurde. Die ursprüngliche Leiter und die Kanzel, auf der der kleine Josef, fast sechs Jahre alt, drei Stufen über seine Spielkameraden kletterte und allen Ernstes sagte: „Wenn ich groß bin, werde ich Priester und dann werde ich so sprechen: ‚Ergebene Zuhörer…. Amen!‘ Was dazwischen liegt, weiß ich noch nicht. Das muss ich erst lernen.“ Sicherlich konnte damals niemand ahnen, dass sein Kindheitstraum von einer Berufung einmal in Erfüllung gehen würde und dass Josef, wie Pater Josef Kentenich, schon in jungen Jahren seine Predigten mit den Worten „Andächtige Hörer“ einleiten würde.

Auf der Suche nach den Ursprüngen

Josef war zweifellos von der Tradition des Gymnicher Reiterzuges beeindruckt. Diese alljährlich am Fest Christi Himmelfahrt stattfindende Reiterprozession steht im Zusammenhang mit dem Fünften Kreuzzug zu Beginn des 13. Jahrhunderts, als der Ritter Arnold I. von Gymnich den besonderen Schutz Gottes vor tödlichen Gefahren erfuhr und aus Dankbarkeit versprach, jedes Jahr eine Reiterprozession abzuhalten. Diese Tradition wurde auch in den kritischen Jahren der Kriege beibehalten und nur während des Dreißigjährigen Krieges und im Pestjahr 1666 unterbrochen.

Und der Besuch kann weitergehen…. Es gibt viel zu sehen und nachzudenken in dem kleinen Gymnich…. Ein Besuch, der vor allem durch die Lektüre des Buches „Die verborgenen Jahre“ vertieft werden kann! [1]

Pater Kentenich war ein Mensch, der eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit in seinem Herzen hatte. Eine Freiheit, die viel größer ist als das Fehlen äußerer Fesseln oder Gitter: eine Freiheit, die nach innen schaut, die den freien Menschen in sich sucht: die Freiheit der Kinder Gottes. Bei diesem „Besuch in Gymnich“ fragt er jeden von uns: Willst auch du frei sein? Suchen Sie die Gegenwart Gottes in Ihrer persönlichen Geschichte. In jedem Ereignis. Und gib nicht eher Ruhe, bis du Gottes persönliche Liebe in den Ereignissen entdeckt hast, im Guten wie im Schlechten, im Glücklichen wie im Traurigen und sogar in der Sünde.

Dieser Besuch lohnt sich – und er kann Ihr Leben verändern!

[1] Buch: Die verborgenen Jahre – Pater Josef Kentenich: Kindheit und Jugend (1885-1910). Dorothea M. Schlickmann.

Quelle: Schoenstatt Brasilien – schoenstatt.org.br

Teilen Sie

mit Ihren Lieben

Ähnliche Artikel, die Sie interessieren könnten