Wo ist unser Zuhause?

Claudia Brehm

Der Angriffskrieg und die grausamen Massaker auf der einen Seite rufen auf der anderen Seite eine große Hilfsbereitschaft der Anrainerländer, europäischen Länder und anderer Kontinente hervor. Die ungarischen Schönstattfamilien, die nahe der Grenze zur Ukraine leben, und die Westukrainer, die vom Krieg nicht direkt betroffen sind, helfen so gut wie möglich den Flüchtenden und denen, die im Land bleiben wollen.

Ein Lehrerehepaar aus der West Ukraine, Nóra und István Bardos berichtet:

„Wir sind froh, dass wir erfahren haben, dass unsere Kinder in Sicherheit sind. Wer weiß, wann unsere wehrpflichtigen Söhne sicher nach Hause kommen können, und was wir überhaupt als Zuhause betrachten können. In der letzten Februarwoche gab es viel Aktion, Mehraufwand, Reisen, Organisation. Ich war im ungarischen Budapest in einem ehrenamtlichen Dolmetschereinsatz am West- und Ostbahnhof. Dort half ich den vielen Müttern mit Kindern, die auf der Flucht zum Zug eilten, das Gepäck zu tragen und Übersetzungshilfe zu geben.

Jetzt sind meine Frau Nóra und ich wieder zu Hause, hier in der Westukraine. Als Pädagogen führen wir Online-Schulungen durch, die mühsamer sind als direkter Unterricht, und andere Fähigkeiten erfordern. Nóra hat immer wieder 12-Stunden-Einsätze in ihrer Schule, die in eine Notunterkunft umgewandelt ist. Sie kümmert sich um die verschiedenen Probleme von Flüchtlingen unterschiedlicher Anzahl (zwischen 70 und 80). In unserer Schule gibt es weder Duschen noch Warmwasser, daher wurden hier noch keine Flüchtlinge untergebracht. Die Klassenräume werden von der Stadt hauptsächlich als Lager genutzt. Neben dem Unterricht sind wir ständig in Bereitschaft. Sobald ein Telefonanruf kommt, müssen wir packen gehen.

Heute zum Beispiel Bänke und Bettzeug, ein anderes Mal Lebensmittel, Decken usw,, was dann alles ins Kriegsgebiet gegen Osten und Süden transportiert wird. Bei der kirchlichen Caritas helfe ich auch beim Packen und transportiere die Hilfsgüter mit unserem eigenen Fahrzeug. Manchmal kommen die Flüchtlingsfamilien – oft aus Charkow – spät abends erst an, wir suchen dann eine Unterkunft für sie. Wir tun, was wir können, aber wir werden weniger, viele von uns fliehen auch. Inzwischen gibt es Chorproben – am Palmsonntag und Karfreitag werden wir die Passion singen. Ich singe die Tenor- und Bass-Soli in einer Person, denn inzwischen besteht unser Chor sonst nur noch aus Sopran und Altstimmen.

Die jüngeren Männer sind alle eingezogen. Ich bin durch mein Alter einigermaßen geschützt, ich wurde vor ein paar Monaten 60 Jahre alt. Da inzwischen alle 18- bis 60-jährigen Männer kämpfen, müssen wir damit rechnen, dass die Altersgrenze bald nach unten und oben ausgedehnt wird. Dann bin ich auch dran und muss gehen. Wir müssen uns daran gewöhnen, in Ungewissheit und Angst um das Schicksal unserer Lieben, Verwandten, Freunde und Gemeinschaften, zu leben. Die Bevölkerung unserer Stadt hat sich verändert, der Stadtpark ist voller Kinder und Mütter und Menschen, die an ihren Handys hängen. Die Zahl der Teilnehmer am kirchlichen Leben ist zurückgegangen. Auch wir müssen uns entscheiden: Werden wir Ostern zu Hause mit unserer Kirchengemeinde feiern und uns wie bisher aktiv an den Feierlichkeiten beteiligen, oder werden wir die Familie vorziehen und mit unseren Kindern im Ausland feiern? Aber unser Haus ist nicht eingestürzt, und wir müssen nicht wie Millionen von Menschen darüber nachdenken, wo wir ein ganz neues Leben beginnen können. Wir danken dem Herrn, dass er für uns sorgt und uns die Kraft gibt, all denen mit unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten zu helfen, die Gottes Vorsehung zu uns bringt.“

Krank und auseinandergerissen

Andere Familien schreiben, dass sie am meisten unter der Trennung als Familie leiden, aber froh sind, dass einige Familienmitglieder in Ungarn unterkommen konnten. Eine Familie berichtet, dass ihre Kinder sich gegenseitig mit Corona ansteckten. Ein Kind hat es so schwer erwischt, dass es ins Hospital muss für längere Zeit, zum Glück in Ungarn. Eine Familienmutter, deren Mann schon länger in Ungarn arbeitet, hofft inständig, dass er keinen Einberufungsbefehl bekommt und dann auch in den Krieg ziehen muss. Die Ukrainer im Westen, die nicht unmittelbar vom Krieg betroffen sind, verrichten alle Dienste bei Maltesern, Caritas, in Kindergärten Schulen und in Flüchtlingsunterkünften, um ihren betroffenen Landsleuten auf der Flucht möglichst zielführend unter die Arme greifen zu können. Liebesbündnis konkret. Möge die Gottesmutter alle unter Ihrem bergenden Mantel beschützen.

 

zuhause

Teilen Sie

mit Ihren Lieben

Ähnliche Artikel, die Sie interessieren könnten

Kirche in der Ukraine

Bischof Yazlovetskiy: der Krieg hat die Kirche in der Ukraine nicht gespalten

Der Prälat, der bei den Arbeiten der Europäischen Kontinentalversammlung in Prag anwesend war, erzählt, wie der Konflikt den Weg unterbrochen hat, den die Gemeinschaften der Diözese für das vorbereitende Synodendokument eingeschlagen haben, aber eine Art des gemeinsamen Handelns an die Oberfläche gebracht hat, zwischen dem Volk, den Seelsorgern und den Priestern, um sich gegenseitig zu helfen und sich im Geist durch das Gebet zu stärken

Mehr lesen »
Celebrate Christmas

Statt teurer Weihnachtsgeschenke für Ukraine spenden

Papst Franziskus hat Kommerz zu Weihnachten verurteilt. Das Fest solle in Demut, ohne große Weihnachtseinkäufe, begangen werden und das gesparte Geld für konkrete Gesten der Nächstenliebe genutzt werden, etwa für die Ukraine, erklärte das Kirchenoberhaupt diesen Mittwoch im Vatikan.

Mehr lesen »