Demut heißt: Mut zum dienen

P. Heinrich Walter

“Und es geschah: Jesus kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen. Da beobachtete man ihn genau.

Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, erzählte er ihnen ein Gleichnis. Er sagte zu ihnen: Wenn du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist, nimm nicht den Ehrenplatz ein! Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen. Vielmehr, wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten. “ (Lk  14,1; 7-14)

Dem anderen Platz machen

Der Wettlauf um die besten Plätze, das kennen wir; vielleicht nicht so spektakulär wie jetzt hier bei Hochzeit, aber wenn es um Konzerte geht, um Sport geht oder wo auch immer, man will schon einen Platz haben, wo man sieht, um was es geht und wo man mittendrin dabei ist.

Ich erlebe das immer wieder, da ich in Rom lebe, dass Leute mich fragen: „Wo muss man auf den Petersplatz hin, damit man den Papst am besten sieht?” und dann gibt es da auch so das Gerangel, selbst an heiligen Orten: man möchte den besseren Platz haben. Und dann lesen wir hier, ja, so soll es bei euch Christen nicht sein; bleibt bescheiden, nimm den untersten Platz ein oder, wie wir eben gehört haben, mach diesem hier Platz.

Dem anderen Platz machen: Als ich das las, dachte ich an die Kardinals-Erhebung jetzt an diesem Wochenende und mir fiel auf, dass da unter denen, die jetzt ja die “besten Plätze” wohl haben, (aber nicht im Verständnis von Papst Franziskus, er sieht die Sachen ein bisschen anders; gestern in der Predigt hat er hauptsächlich von Dienen geredet), also die Kardinäle sollen die ersten sein, wenn es um das Dienen geht. Die rote Farbe ist ja eigentlich auch so gemeint wegen der Bereitschaft zum Martyrium für Christus. Sie sollen die ersten sein, die bereit sind, für Christus zu sterben. Und unter diesen ist also ein Kardinal, der jüngste, 48 Jahre alt, Pater Marengo aus Italien, der in der Mongolei lebt. Das ist ein Symbol von diesem Vorgang, der hat wohl den ersten Platz in der Mongolei – Sie wissen ungefähr, wo das liegt – da sind 3 Millionen Einwohner und es gibt 1500 Katholiken. Und das Oberhaupt dieser 1500 Katholiken wird jetzt also Kardinal und nicht die Bischöfe der großen Städte der Welt. Der Bischof wurde natürlich jetzt befragt, “x”-mal, das kann man überall nachlesen und er redet von den Wegen der Demut, die das für ihn bedeutet: also den Dialog weitergeben, den untersten Platz haben und wie er wollen 1500 Katholiken den 3 Millionen Einwohnern zu Diensten sein. Das hat etwas mit dem Evangelium von heute zu tun, dass so einer, an den eigentlich niemand denkt, an der Peripherie der Welt, dass der zum Kardinal erhoben wird.

Demut
Foto: Vatican media

… unsere Handys vollgestopft sind mit Kommunikation

Jetzt wenn wir an uns denken, dann geht es durchaus um das alltägliche Leben, also die besten Plätze, den ersten Platz haben, oder eben bescheiden sein, den untersten einnehmen, also einen anderen Platz machen, wie wir eben gehört haben: “macht diesem hier Platz”. Ist es nicht so, dass wir so vollgestopft sind mit allen möglichen, dass unser Herz vollgestopft ist mit Gedanken, unsere Kleiderschränke vollgestopft sind mit Kleidern und Dingen, dass unsere Handys vollgestopft sind mit Kommunikation, so dass wir gar keinen Platz mehr haben für das, was auf uns zukommt? Neulich hat mir einer erzählt: „Ich habe jetzt Facebook bei mir gelöscht, denn ich merke, dass mich das Ganze zu viel bestimmt und dass ich nicht mehr Raum habe, um mich den Eigentlichen zuzuwenden”.

Mir geht es manchmal so, wenn man Familien besucht und eine Kleinigkeit den Kindern mitbringt, sie freuen sich dann, ein kurzes Leuchten in den Augen und dann fliegt das Ding schon in die Ecke. Ja, die haben so viel; da ist kein Platz mehr für das, was jetzt gerade der neue Gast ihm gebracht hat. Also ich meine, das könnte doch für uns heißen, nimm den untersten Platz ein, die Demut einüben heißt Platz schaffen von all dem, wovon wir so vollgestopft sind, unsere Gesellschaft so vollgestopft ist. Jemanden aufnehmen können, Aufmerksamkeit haben für etwas, für jemand, ja sogar Gott aufnehmen bei mir, da hat man ja selbst als guter Katholik manchmal keine Zeit und keinen Raum mehr. „Nur der Demütige kann beschenkt werden”, sagt uns das Evangelium, nur der, der wenig hat, kann sich riesig freuen an einer Handvoll Reis in diesen Ländern, wo es ums Überleben geht, weil er dieses Geschenk annehmen kann, in der Erfahrung der inneren Demut.

Demut heißt eigentlich Dien-Mut, Mut zum Dienen

Platz machen heißt es im Evangelium, Platz machen, ja bei mir daheim vielleicht auch, wenn das Evangelium mich anregen könnte, vielleicht in der Wohnung mal wieder ein bisschen Platz zu machen, damit anderes aufgenommen werden kann, in meinem Herzen Platz machen, von dem Vielen, was da so ist, damit ich auch Raum habe, um ganz anderen Leuten eine Gelegenheit zu geben, bei mir eine Heimat zu haben. Demut geht wohl nicht ohne Entrümpelung. Wenn wir das jetzt spirituell- religiös betrachten: Demut heißt eigentlich Dien-Mut, Mut zum Dienen; das hängt damit zusammen, dass ich mich als Geschöpf dem Schöpfer gegenüber erlebe. Also, ich komme von Gott, ich komme vom Schöpfer, der das Erste und Alles ist, und Ihm will ich mit meinem Leben dienen: das bedeutet eigentlich Demut. Demut bedeutet die innere Einstellung zu Gott: Du bist das Eigentliche, Du bist die Liebe, Du bist die Kraft, Du bist die Macht; und der will ich mich zuwenden, der will ich Raum geben: ich will dir Raum geben guter Gott, ich will dir Platz machen in meinem Leben, in meinen Beschäftigungen, in dem, was mich umtreibt; und wenn ich dir Platz mache, dann wirst du durch deine Gegenwart mich und mein Herz zum kleinen Paradies machen.

Maria, die demütige Frau

Wo wir das einüben können, da sind wir hier dann am richtigen Ort: bei Maria. Ich denke, Maria und die Erfahrungen hier mit dem Heiligtum machen uns immer wieder deutlich: Maria, das ist der Lernort für gesunde Demut. Uns kommt sofort das Magnifikat in den Sinn:  ja die Hochmütigen – der Hochmut, das ist das Gegenteil von Demut: – die werden zerstreut; die Mächtigen werden vom Thron gestürzt, die Reichen, die gehen leer aus und die, die Durst haben, die Hunger haben, die Not haben, werden beschenkt, die können beschenkt werden. Ja was für ein Herz muss Maria gehabt haben, damit Gott bei ihr Platz finden konnte? Nicht so ein bisschen und nebenbei und mal ein kleines Morgengebet oder abends ein kurzes Gebet, sondern so, dass Gott einen Menschen total ausfüllen kann, ja das geht nur, wenn da viel Platz, viel Freiraum, viel leergeräumt ist. So dass Gott ganz und gar mit seiner Gegenwart eintreten kann.

P. Kentenich und die Barmherzigkeit

Das sind so Gedanken zu diesem Evangelium und dann fiel mir noch ein, dass Pater Kentenich am Ende seines Lebens, nach seinen 14 Jahren Verbannung über die Barmherzigkeit gesprochen hat und dann gesagt hat:  „Ja, wir haben so viel über Barmherzigkeit geredet in der Vergangenheit, aber das Barmherzigkeit so groß, so tief, so allumfassend sein kann, das haben wir nicht gewusst.” Und das sagt einer, der mit 25 Jahren in sein Tagebuch schreibt, dass Stolz wohl lebenslang seine eigentliche Arbeitsstelle, seine eigentliche Baustelle sein wird, dass Stolz wohl der Fehler ist, an dem er ein Leben lang arbeiten muss.

Möge es auch uns Geschenk sein, dass wir am Ende des Lebens dann in aller Demut sagen können, ja die Barmherzigkeit, die Barmherzigkeit Gottes, die Liebe Gottes so groß ist, das hätte ich mir nicht vorstellen können. Amen

Video der Heilige Messe

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