Der Tag, der im Vorfeld des Europatages am 9. Mai durchgeführt wird, steht unter dem Thema „Brücken der Hoffnung bauen“. Die 20-jährige Kathrin aus Nürnberg spricht zu Beginn in einer Video-Botschaft ihren Traum von Europa aus: „Es ist so toll – wir, in den verschiedenen Ländern, sind so unterschiedlich – aber wir sind eine Gemeinschaft! Dafür bin ich dankbar. Es ist spannend einander in der Unterschiedlichkeit kennen lernen zu dürfen.“ Dieser Europatag sollte dazu beitragen, den Traum einer europäischen „Gemeinschaft in Vielfalt“ Stück für Stück gelebte Realität werden zu lassen – durch konkrete Beiträge aus vielen christlichen Gemeinschaften aus vielen Ländern.
Jede Minute eures Engagements rentiert sich
Lukas Mandl, Abgeordneter des Europäischen Parlaments (MEP), ermutigte die Teilnehmenden: „Jede Minute eures Engagements rentiert sich“. Er berichtet über das Spannungsfeld seiner parlamentarischen Arbeit, bei der er nicht mit allem einverstanden sein könne – doch die Würde des Menschen versuche er als Christ immer hochzuhalten und die Freiheit des anderen zu respektieren. Das Miteinander erfordere trockene, sachliche Arbeit in Gremien, brauche aber auch spirituelle Inspiration – siehe die Rede von Martin Luther King vor 60 Jahren: „I have a dream…“.
„Kooperation“, ein Lieblingsbegriff von Lukas Mandl, habe Europa nach dem zweiten Weltkrieg stark gemacht. Die Gräben der Konfrontation zwischen Deutschland und Frankreich seien tiefer gewesen, als wir es uns heute vorstellen könnten. Die schöpferische Kraft der Kooperation dürfe nicht ausgehöhlt werden – dazu brauche es ein starkes „Miteinander“, das nicht stehen bliebe beim Zurückschauen, sondern das Brücken baue, um Zukunft zu gestalten. MEP Mandl würdigt den Brückenbauer Robert Schuman, französischer Außenminister, der am 9. Mai 1950 in einer berühmten Rede Deutschland seine Hand entgegengestreckt habe. Seine Ratschläge an Politiker gäben Orientierung für das Miteinander: „nicht dramatisieren – Schläge nicht zurückgeben – Humor bewahren“
Eva und Erich Berger vom Organisationsteam des Tages übergeben Lukas Mandl MEP eine Sammlung von „Hoffnungsberichten von Brückenbauern“ – kleine Geschichten aus dem täglichen Leben von Christen, die Mut machen können, stolze 44 Seiten.
Für ein Europa einstehen, das offen und tolerant ist
Die Vielfalt der Beiträge der Referentinnen und Referenten des Tages war ermutigend. Pfarrerin Julia Schnizlein von der evangelischen Stadtpfarre in Wien baut Brücken von Martin Luther Kings „I have a dream“, zu Jesaia und in unser Heute: Was Sie hier und heute tun, hat Sinn. Wenn Sie von einem geeinten und vielfältigen Europa träumen, in dem uns Unterschiedlichkeiten nicht trennen, sondern als Geschenk erlebt werden, dann zeichnen Sie damit ein Hoffnungsbild. Wenn Sie in Ihren Gesprächen und Ihrem Tun für ein Europa einstehen, das offen ist und tolerant und in dem Geschwisterlichkeit herrscht, dann bauen Sie eine Brücke der Hoffnung.
Mária Špesová, Mitglied des Leitungskomitees von Miteinander für Europa. Sie stammt als Karpatendeutsche aus einem Ort in der Slowakei in dem römisch-katholische, griechisch-katholische und orthodoxe Zipserdeutsche, Ruthenen, Goralen und Romas miteinander lebten. Ihr Anliegen: Brücken zwischen Generationen bauen, dadurch, dass man Familie baut, in der Geschwister, Mütter und Väter und Großeltern präsent sind.
Hans-Peter Lang, Mitbegründer des „Runden Tisches“, einer ökumenischen Plattform, die den „Weg der Versöhnung“ miteinander geht, weist auf die Notwendigkeit hin, historische Fakten klar auszusprechen. Die von der Verdrehung von geschichtlichen Fakten indirekt Betroffenen müssten um Vergebung gebeten werden, aber das alles müsse auch als Sünde vor Gott gebracht werden – wie es der Prophet Daniel einst für sein Volk Israel getan habe: „Wir, dein Volk und unsere Väter haben gesündigt …“ (Daniel 9,1 ff). „Durch Bitten um Vergebung wird geistlich einiges bewegt und Vertrauen zueinander aufgebaut“ so Lang. „Das ist entscheidend für einen gemeinsamen weiteren Weg der Versöhnung.“
Nachbarschaftliche Hilfe baut Brücken
Marjeta Bobnar aus Slowenien berichtet über die Früchte des Projektes „Summerjob“, das Beziehungen zu Menschen in Not aufbaut durch physische Hilfe in deren Lebenswelt und natürlich auch zwischen jungen Menschen, die aus verschiedenen Teilen Sloweniens kommen. „Der einfachste Weg, Beziehungen zwischen uns aufzubauen, ist, konkret zu sein: Wasser zu teilen, wenn wir in der heißen Sonne Kartoffeln ernten, ein Wort der Ermutigung zu geben und ein Wort der Aufmunterung, wenn wir nach ein paar Stunden müde werden.“ Mit jugendlicher Energie und Optimismus versuchen sie, eine Verbindung zu den „Arbeitgebern“, den Menschen, für die sie arbeiten und denen sie helfen, herzustellen. „Für die Jugendlichen war es bisher eine unglaublich positive Erfahrung, ihren Nachbarn zu helfen, und diejenigen, denen geholfen wurde, haben nicht nur die konkrete Hilfe, sondern auch den Enthusiasmus und die Verbundenheit der jungen Leute gespürt“.
Suha Dejmek aus Österreich ist Tochter eines Palästinensers und einer Österreicherin, aufgewachsen in Kuweit. Ihr Herzensprojekt: „KOMPASS – 100 Frauen, 100 Chancen“. Sie unterstützt Frauen in Einzelcoachings. Eine Rückmeldung: „Sie haben mir Mut und Hoffnung gegeben, was viel mehr ist, als ich erwarten konnte! Nachdem ich Ihr Büro verlassen habe, fühle ich mich bereit für alles, was kommen wird, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar!“ Ein Wort von Ivo Andric: „Von allem, was der Mensch baut und aufbaut, gibt es nichts Besseres und Wertvolleres als Brücken“.
Brückenbauen mit der Drahtschere
Gottfried Rießlegger aus Innsbruck, engagiert sich für ein ökumenisches Miteinander einer katholischen und einer evangelischen Pfarrei mit eigenen Kirchen und einer orthodoxen Pfarrei ohne Kirche. Zwei Kirchen, 150 m voneinander entfernt, getrennt durch einen Zaun. Die Sehnsucht des „Miteinanders“ war eines Tages stärker als die Ängste und Vorbehalte – zwei Drahtscheren, eine links, eine rechts – schon war ein großes Loch im Zaun – der Beginn einer segensreichen Bereicherung. Die orthodoxe Gemeinschaft hat ein Umbauset in einer großen Truhe – jeden Sonntag nach dem katholischen Gottesdienst wird die Ikonostase vor dem Altar aufgebaut. Brückenbauen mit der Drahtschere!
Know-how vermitteln als Methode des Brückenbauens
Tibor Héjj aus Ungarn baut „Brücken mit Hilfe von Kleinbussen“. Er befördert Tag für Tag Menschen mit Behinderung zu Arbeitsplätzen in verschiedenen Firmen, an denen sie mit gesunden Menschen, also ohne Behinderungen, arbeiten und leben. Die Idee: Ein Unternehmen zu gründen, bei dem nicht die Interessen des Eigentümers im Vordergrund stehen, sondern die der Arbeitnehmer, die wegen ihrer Behinderung sonst keine Arbeit hätten. Also, nicht wie normalerweise Unternehmer agieren um zu ‚kriegen‘, geschweige denn zu ‚bekommen‘, sondern die Firmengründung fürs ‚Geben‘ zu nutzen. Und nicht „Fisch“ geben, sondern „Netze“ und „Fischerei Know-how“ zu vermitteln. Die Fahrtrichtung auf der Brücke umdrehen – nicht „bekommen“ sondern „geben“
Dagmar und Petr Penáz aus Brünn sind Brückenbauer mit Leib und Seele. Sie bauen Brücken zu Menschen mit besonderen Bedürfnissen, z.B. erklimmen sie mit Blinden den Olymp. Sie bauen Brücken zwischen Christen, z.B. durch ökumenische Wallfahrten in Mähren. Sie bauen Brücken zwischen Nationen der Monarchie, z.B. vermitteln sie tschechischen Schülern ein Gastsemester im Sacré-Coeur in Wien, sie organisieren eine Partnerschaft zwischen dem Kyrill-Method-Gymnasium in Brünn und der Ackermann-Gemeinde in Rottenburg-Stuttgart. Und sie ermöglichen einem Künstler, Klaus Kugler, der in Mähren geboren wurde und jetzt in Baden-Württemberg lebt, eine Ausstellung seines Lebenswerks in der lutherischen Christus-Kirche in Brünn.
Kennenlernen lässt Vorurteile verschwinden
Boris Petrovic aus Bosnien-Herzegowina hat spannende Erfahrungen mit Menschen aus seinem eigenen Land. In einem Deutschkurs in Graz trifft er Muslime aus Bosnien und Herzegowina, die wie er an die Uni nach Graz gekommen sind. Obwohl sie aus demselben Land kommen, gibt es zwischen uns Kroaten, Serben und Muslimen ein gewisses Misstrauen. „Wir sind völlig fremd aufgewachsen, getrennt voneinander. Wir lernen die deutsche Sprache gemeinsam, wir kommen uns näher. Wir sitzen im Unterricht zusammen. Wir schreiben gemeinsam Tests und diskutieren, ob Auto „der“ oder „das“ ist“. „Mit der Zeit, als wir uns besser kennengelernt haben, sind einige Vorurteile verschwunden. Heute, mit einem Abstand von 20 Jahren, kann ich nur eines sagen. Liebe, Toleranz und Respekt können solche Brücken zwischen Menschen bauen, dass niemand sie niederreißen kann.“
Gott sammelt sein Volk und wird in dessen Mitte wohnen
Dieser 6. Mai ist für alle Teilnehmenden ein intensiver Tag der das Lebensgefühl des Netzwerkes „Miteinander für Europa“ erfahrbar macht: „Gott sammelt sein Volk!“ Gott ist initiativ, das ist irgendwie spürbar. Er sammelt sein Volk aus allen Ländern, aus allen Kirchen, aus allen Berufen, Kleriker und Laien. Er möchte neue Impulse setzen, ein neues Miteinander schaffen. An diesem 6. Mai 2023 hat Gott seinem Volk vor Augen geführt, dass es fähig ist, Brücken zu bauen. Brücken, die auch von denen benützt werden, die Gott nicht erkennen – eine Mutinjektion. Gott sammelt sein Volk – wir sind Teil seines Volkes.
„Er wird in ihrer Mitte wohnen“ Das ist das Lebensgefühl, die tiefe Überzeugung, welche die Spiritualität der Schönstatt-Bewegung prägt: Gott lebt in unserer Mitte. Diese Überzeugung ist in dem Symbol der Heiligen Stadt ausgedrückt und in der Heiligen Schrift in der Offenbarung des Johannes formuliert: „Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.“ Eine Brücke, die Himmel und Erde verbindet.
Brückenbauen – konkret und nachhaltig
Ein ganz besonderer Beitrag, der das Brückenbauen erlebbar machte, war der ungarische Chor „Vox mirabilis“. Seine Fähigkeit Himmel und Erde verschmelzen zu können kann man nicht beschreiben – wohl aber hören: www.voxmirabilis.hu (und viele Beiträge auf youTube).
„Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!” Dieser Satz, mit dem Kaiser Franz Josef Audienzen beendet hat, sollte nicht der Schlusssatz sein. Nein – das Brückenbauen soll weiter gehen – auch am 7. Mai und alle Tage danach. Zunächst haben Rupert und Martin in einer Zeit der Anbetung die Beziehung zum Schöpfer der Welt vertieft. Dann hat jeder Teilnehmer sich die Antwort auf drei Fragen überlegt und auf eine Karte geschrieben: – Was ist mein Charisma? Womit kann ich dienen? – Die Herausforderungen in meinem Dienst – Wo wünsche ich Unterstützung? In der Zeit der Anbetung und in kleinen Gebetsgruppen wurde um Gelingen des Brückenbauens über diesen bereichernden Tag hinaus gebetet.
Quelle: schoenstatt.com