“Dilexi te”: Die wichtigsten Sätze aus dem neuen Papst-Schreiben

Salvatore Cernuzio / Vatican News

Die Ziffern in den Klammern verweisen auf den jeweiligen Abschnitt des Textes. Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen deutschen Fassung werden auf der Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht.

In den Armen Christus begegnen

Hier geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um Offenbarung: Der Kontakt mit denen, die keine Macht und kein Ansehen haben, ist eine grundlegende Form der Begegnung mit dem Herrn der Geschichte. In den Armen hat er uns auch weiterhin noch etwas zu sagen. (5)

Die Option für die Armen

Ich bin überzeugt, dass die vorrangige Option für die Armen eine außerordentliche Erneuerung sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft bewirkt, wenn wir dazu fähig sind, uns von unserer Selbstbezogenheit zu befreien und auf ihren Schrei zu hören. (7)

Photo: Vatican News

Der Schrei der Armen

Die Lebenssituation der Armen ist ein Schrei, der in der Geschichte der Menschheit unser eigenes Leben, unsere Gesellschaften, die politischen und wirtschaftlichen Systeme und nicht zuletzt auch die Kirche beständig hinterfragt. Im verwundeten Gesicht der Armen sehen wir das Leiden der Unschuldigen und damit das Leiden Christi selbst. (9) by Francis, completed by Pope Leo

Eine Kultur der Ausgrenzung

Es gibt nach wie vor – manchmal gut getarnt – eine Kultur, die andere ausgrenzt, ohne dies überhaupt zu bemerken, und die es gleichgültig hinnimmt, dass Millionen von Menschen verhungern oder unter menschenunwürdigen Bedingungen überleben. (11)

Wir müssen das Evangelium neu lesen

Die Tatsache, dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird, als handle es sich um die Fixierung einiger weniger und nicht um den glühenden Kern der kirchlichen Sendung, bringt mich zu der Überzeugung, dass wir das Evangelium immer wieder neu lesen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass eine weltliche Gesinnung an seine Stelle tritt. Wenn wir nicht aus dem lebendigen Strom der Kirche herausfallen wollen, der dem Evangelium entspringt und jeden Moment der Geschichte fruchtbar werden lässt, dürfen wir auf gar keinen Fall die Armen vergessen. (15)

Man kann nicht beten und Opfer darbringen, während man die Schwächsten und Ärmsten unterdrückt. (17)

Gottes Vorliebe für die Armen
Gott zeigt den Armen seine Vorliebe: Zuallererst richtet sich das Wort der Hoffnung und der Befreiung des Herrn an sie: Deshalb soll sich niemand verlassen fühlen, auch wenn er in einem Zustand der Armut oder der Schwäche lebt. Und die Kirche, wenn sie Kirche Christi sein will, muss eine Kirche der Seligpreisungen sein, eine Kirche, die den Kleinen Raum schafft, die arm und zusammen mit den Armen auf dem Weg ist… (21)

Nächstenliebe
Die Nächstenliebe ist der greifbare Beweis für die Echtheit der Liebe zu Gott… Die Nächstenliebe ist nicht etwas Optionales, sondern das Kriterium für den wahren Gottesdienst. (26/42)

Krankenpflege ist Verkündigung
Die christliche Nähe zu den Kranken zeigt, dass die Erlösung nicht eine abstrakte Idee ist, sondern konkretes Handeln. Durch das Versorgen einer Wunde verkündet die Kirche, dass das Reich Gottes unter den Schwächsten seinen Anfang nimmt. (52)

Die Klöster
Die monastische Tradition lehrt, dass Gebet und Nächstenliebe, Stille und Dienst, Klosterzellen und Krankenhäuser ein einziges geistliches Gewebe bilden. Das Kloster ist ein Ort des Zuhörens und des Handelns, des Gottesdienstes und des Miteinander-Teilens. (58)

Wir verkünden die Befreiung
Wenn die christliche Nächstenliebe konkret gelebt wird, dann wirkt sie befreiend. Und die Sendung der Kirche, wenn sie ihrem Herrn treu ist, besteht immer darin, die Befreiung zu verkünden. … Wenn die Kirche sich herabbeugt, um sich der Armen anzunehmen, dann nimmt sie ihre erhabenste Haltung ein. (61/79)

Brücken statt Mauern
Wie eine Mutter begleitet die Kirche alle, die unterwegs sind. Wo die Welt Bedrohungen sieht, sieht sie Kinder; wo Mauern errichtet werden, baut sie Brücken. Sie weiß, dass ihre Verkündigung nur dann glaubwürdig ist, wenn sie sich in Gesten der Nähe und der Aufnahme ausdrückt; und dass in jedem zurückgewiesenen Migranten Christus selbst an die Türen der Gemeinschaft klopft. (76)

Sie sind die Auserwählten
Die Ärmsten der Armen – diejenigen, denen es nicht nur an Gütern mangelt, sondern auch an Stimme und Anerkennung ihrer Würde – nehmen einen besonderen Platz im Herzen Gottes ein. Sie sind die Auserwählten des Evangeliums, die Erben des Reiches Gottes (vgl. Lk 6,20). In ihnen fährt Christus fort zu leiden und aufzuerstehen. Durch sie entdeckt die Kirche wieder neu, dass sie gerufen ist, zu zeigen was ihr eigentliches Wesen ist. (76)

Die Armen sind unsere Lehrer
Die Ärmsten sind nicht bloße Adressaten unseres Mitgefühls, sondern Lehrer des Evangeliums. Es geht nicht darum, Gott zu ihnen „zu bringen”, sondern ihm bei ihnen zu begegnen. … Der Dienst an den Armen ist nicht eine Geste „von oben nach unten“, sondern eine Begegnung unter Gleichen, in der Christus offenbar und verehrt wird. (79)The ‘faces’ of poverty

Die Liebe ist eine Kraft, die die Wirklichkeit verändert, eine echte geschichtsverändernde Kraft. (91)

Wenn die Wirtschaft nur den Mächtigen dient

Es wird normal, die Armen zu ignorieren und so zu leben, als ob es sie nicht gäbe. Es erscheint als vernünftige Entscheidung, die Wirtschaft so zu organisieren, dass vom Volk Opfer verlangt werden, um bestimmte Ziele zu erreichen, die für die Mächtigen von Interesse sind. Unterdessen werden den Armen nur „Tropfen” versprochen, die so lange fallen werden, bis eine neue globale Krise sie wieder in die vorherige Situation zurückwirft. (93)

Unbequeme Fragen

Die Frage, die wiederkehrt, ist stets dieselbe: Sind die weniger Begabten keine Menschen? Haben die Schwachen nicht die gleiche Würde wie wir? Sind diejenigen, die mit weniger Möglichkeiten geboren wurden, als Menschen weniger wert und müssen sich damit begnügen, bloß zu überleben? Von der Antwort, die wir auf diese Fragen geben, hängt der Wert unserer Gesellschaften ab, und von ihr hängt auch unsere Zukunft ab. Entweder wir gewinnen unsere moralische und geistige Würde zurück oder wir fallen gleichsam in einen verschmutzten Brunnen. (95)

Gegen die Strukturen der Ungerechtigkeit

Es ist die Aufgabe aller Glieder des Gottesvolkes, die Stimme … zu erheben, damit sie aufrüttelt, anprangert und sich auch dann exponiert, wenn dies bedeutet, als „dumm“ angesehen zu werden. Die Strukturen der Ungerechtigkeit müssen mit der Kraft des Guten erkannt und zerstört werden… Es ist stets zu bedenken, dass das Anliegen des Evangeliums nicht bloß in einer individuellen und innigen Beziehung zum Herrn besteht. (97)

Nicht nur zu Besuch

Ich danke allen aufrichtig, die sich dafür entschieden haben, unter den Armen zu leben: jenen also, die ihnen nicht nur ab und zu einen Besuch abstatten, sondern mit ihnen und wie sie leben. Eine solche Entscheidung gehört zu den höchsten Formen eines evangeliumgemäßen Lebens. (101)

Die Weisheit der Armen

Die Armen sind in äußerst unsicheren Verhältnissen aufgewachsen, haben gelernt, unter widrigsten Umständen zu überleben, sie vertrauen auf Gott in der Gewissheit, dass niemand sonst sie ernst nimmt, sie helfen sich gegenseitig in den dunkelsten Stunden und haben auf diese Weise vieles gelernt, was sie im Geheimnis ihres Herzens bewahren. Diejenigen unter uns, die keine solchen Grenzerfahrungen in ihrem Leben gemacht habe, können sicherlich viel aus jener Quelle der Weisheit schöpfen, die die Erfahrung der Armen darstellt. Nur wenn wir unser Klagen mit ihren Leiden und Entbehrungen in Beziehung setzen, können wir eine Ermahnung vernehmen, die uns dazu nahelegt, unser Leben einfacher zu gestalten. (102)

Die Sorge für die Armen ist Teil der großen Tradition der Kirche… Die Liebe zu den Armen ist ein wesentliches Element der Geschichte Gottes mit uns… (103)

Die Erneuerung der Kirche

Als Leib Christi empfindet die Kirche das Leben der Armen, die ein privilegierter Teil des pilgernden Volkes sind, als ihr eigen „Fleisch“. Deshalb ist die Liebe zu den Armen – in welcher Form auch immer sich diese Armut zeigt – die evangeliumsgemäße Garantie für eine Kirche, die dem Herzen Gottes treu ist. Jede kirchliche Erneuerung hat denn auch immer diese vorrangige Aufmerksamkeit für die Armen, die sich sowohl in ihren Beweggründen als auch in ihrem Stil von der Tätigkeit jeder anderen humanitären Organisation unterscheidet, zu ihren Prioritäten gezählt. (103)

Sie gehören zu uns

Christen dürfen die Armen nicht bloß als soziales Problem betrachten: Sie sind eine „Familienangelegenheit“. Sie gehören „zu den Unsrigen“. Die Beziehung zu ihnen darf nicht auf eine Tätigkeit oder eine amtliche Verpflichtung der Kirche reduziert werden. (104)

Wohlstand macht blind

Nicht selten macht Wohlstand blind, so dass wir bisweilen sogar meinen, wir könnten nur dann glücklich werden, wenn wir ohne die anderen auskommen. In dieser Hinsicht können die Armen für uns wie stille Lehrer sein, die unseren Stolz und unsere Arroganz in die richtige Demut zurückführen. (108)

Es genügt nicht…

Für uns Christen führt die Frage nach den Armen zum Wesentlichen unseres Glaubens. … Tatsächlich sind die Armen für die Christen keine soziologische Kategorie, sondern das Fleisch Christi selbst. Es genügt nämlich nicht, die Lehre von der Menschwerdung Gottes allgemein zu verkünden; um wirklich in dieses Geheimnis einzutreten, muss man genauer sagen, dass der Herr Fleisch angenommen hat, das hungert, dürstet, krank ist und gefangen. (110)

Das Almosengeben

Die Liebe und die tiefsten Überzeugungen müssen genährt werden, und dies erfolgt durch Gesten. Wenn wir in der Welt der Ideen und der Diskussionen verbleiben, ohne persönliche, wiederholte und von Herzen kommende Gesten, wird dies zum Scheitern unserer kostbarsten Träume führen. Aus diesem einfachen Grund verzichten wir als Christen nicht auf die Almosengabe. (119)

Die Kirche, die die Welt heute braucht

Die christliche Liebe ist ihrem Wesen nach prophetisch, sie vollbringt Wunder, sie kennt keine Grenzen: Sie ist für das Unmögliche da. Die Liebe ist vor allem eine Art Lebenskonzept, eine Lebensweise. Eine Kirche, die der Liebe keine Grenzen setzt, die keine zu bekämpfenden Feinde kennt, sondern nur Männer und Frauen, die es zu lieben gilt, das ist die Kirche, die die Welt heute braucht. (120)

Quelle: vaticannews.va/de

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