Ein Weihnachtsbild
Ich möchte meinen Beitrag beginnen mit einem Weihnachtsbild. Meistens sieht man den hl. Josef entweder bei der Herbergssuche oder schon im Stall nach der Geburt des Kindes, anbetend, oder schlafend, das heißt achtsam auf den Traum, die Weisung Gottes.
Doch dass hier ein hl. Josef mit einem brennenden Holzscheitchen in den Stall hineinleuchtet und wohl sich fragt und überlegt: ist das der Ort, wo meine Maria ihr Kind zur Welt bringen kann? ‐ so eine Darstellung habe ich bisher noch keine gefunden. Rechts unten im Blick sieht man seinen „Rucksack“. Ich stelle mir vor, der hat die Windeln und alles Nötige mitgebracht für das Kind. Also Josef ist beim Geburtsgeschehen in Betlehem aktiv, intensiv mitbeteiligt.
Maria zu ihrem Sohn sagt: „Dein Vater“
Dann habe ich auf den Fuß des hl. Josef geschaut. Diese Sandalen sind zwar für mich als Schweizer nicht gerade ein marschtüchtiges Schuhwerk. Aber es ist doch ein sehr schön ausgeformter Fuß. Dieser Josef, der konnte gehen! Der hat gehen müssen: nach Betlehem und nachher auf der Flucht nach Ägypten. Wie oft mag er in einen Stall oder sonst eine Herberge hineingeleuchtet haben mit so einem brennenden Holzscheit? Wie oft mag er gesucht haben, gefragt haben: Wo können wir Unterkunft finden? So ist der Weg des hl. Josef weitergegangen.
Und das Letzte, was in der Bibel ausdrücklich über ihn gesagt wird, ist beim Zwölfjährigen im Tempel. Die Mutter sagt zu ihrem Sohn: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“ (Lk 2,48). Das ist für mich immer etwas ganz Ergreifendes, wie Maria zu ihrem Sohn sagt: „Dein Vater“, und auf den hl. Josef hinweist, der gar nicht der leibliche Vater ist, aber so sehr mitgegangen ist, mitgetragen, mit gesorgt hat, dass er wirklich Vaterstelle an Jesus hat übernehmen können und übernommen hat!
So hat er seine Sendung, seine Vatersendung gelebt und erfüllt. Und in dem Augenblick im Tempel ergreift der zwölfjährige Jesus die Initiative: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Da reißt er gleichsam den Vorhang auf, schon jetzt, nicht erst beim Sterben, für diese neue Vaterdimension, die er zu offenbaren hat. Das ist ja die Sendung Jesu. Und damit hat Josef seine Sendung erfüllt!
Die Sendung Pater Kentenichs im Spiegel dieses Bildes
In diesem Weihnachtsbild sehe ich viel über unseren Vater und Gründer ausgesagt. Ganz kurz möchte ich darum jetzt von diesem Bild her die vier Meilensteine unserer Schönstattgeschichte und Pater Kentenichs Sendung darin betrachten.
Das fragende Hineinleuchten in die verlassene Kapelle
Ist das nicht der erste Meilenstein, der 18. Oktober 1914, wie Pater Kentenich fragend in eine verlassene Friedhofskapelle hineinleuchtet, wie er sucht: Ist das der Ort, an dem die Gottesmutter sich niederlassen möchte, wo sie wirken kann? Und wie er das den Studenten erschließt und dazu der Gottesmutter die Worte der Gründungsurkunde in den Mund legt: „Beweist mir erst, dass ihr mich wirklich liebt… Dann werde ich mich gerne unter Euch niederlassen“ ‐ hier an diesem unscheinbaren Ort, in dieser alten Friedhofskapelle. Hier wird eine Liebesschule eröffnet. Von ihr, von Maria hat er selber das Lieben gelernt, nun beginnen sie miteinander diese Schule des Liebens im Heiligtum. Dem folgt das sorgsame Pflegen des aufkeimenden Lebens in den Herzen der Studenten, die unzähligen Briefkontakte im Ersten Weltkrieg und dann immer mehr das Wachsen in die Weite und Breite einer aufblühenden Bewegung.
Und dann der zweite Meilenstein: Wiederum das hinein tasten, was Gott in dieser neuen Situation will. Bis 1935 hat P. Kentenich gehofft und versucht: Wir müssen einen Gegendamm aufrichten gegen den Nationalsozialismus, eine breite Wallfahrtsbewegung aufbauen. Aber dann muss er feststellen, dass der Nationalsozialismus Deutschland überschwemmen wird. Er erkennt: Wir müssen das Überleben sichern, die Wurzeln festigen! Sicherung der Liebesschule durch die Erneuerung der Weihe an die Gottesmutter, die Vertiefung der Liebe im Zeichen der Kreuzesnachfolge!
Das Aufleuchten des Vaterantlitzes
Was mir da in unserem Weihnachtsbild besonders sympathisch ist: als der hl. Josef hineinleuchtet in den Stall, kommt auch sein eigenes Gesicht zum Leuchten. Im Suchen nach dem Willen Gottes leuchtet das Antlitz unseres Vaters auf für die Familie, auch ihm selber leuchtet seine Stellung in der Familie nach Gottes geheimnisvollem Liebesplan auf. Eine so vielfältig strukturierte Bewegung braucht einen personalen Mittelpunkt! Da kommt die Bindung an ihn im Ringen um den 20. Januar, im Ringen um seine Befreiung, im Beten um das Wunder der Heiligen Nacht zum Tragen, zum Aufleuchten. Im Antlitz des hl. Josef und nun im Antlitz unseres Gründers als Vatergestalt leuchtet von da an ein helles Licht auf.
Die Mauer
Und dann der Gang heraus aus Dachau: zum dritten Meilenstein. Die neue göttliche Bestätigung, die unser Vater in Dachau hat erfahren dürfen, wie Gott ihn nicht nur bewahrt hat, sondern Schönstatt gesegnet hat, führt zur Grundentscheidung: Das Geschenk Schönstatt dürfen wir nicht weiter für uns behalten, das müssen wir hinaustragen in die weite Welt. Also jetzt hinaus in die weite Welt, Heiligtümer begründen und Schönstatt vor die kirchliche Autorität, in die Kirche hineintragen! Aber es kommt zur Auseinandersetzung und schließlich zur Ablehnung. Im Brief vom 31. Mai 1949 spricht er von einer Mauer des mechanistischen Denkens, das das Wirken der Gottesmutter, die Entfaltung ihrer Liebesschule vom Heiligtum aus, blockiert.
Wir sehen hier im Weihnachtsbild diese Mauer beim Stall: das ist für mich wie ein Symbol dieser Mauer, vor der die Gottesmutter steht. Also: Vertiefung der Liebesschule im Zeichen des Kreuzes im Kampf um die Sendung des organischen Denkens, Lebens und Liebens. Und die harte Konsequenz ist das Exil des Gründers. Verfügung der Bischöfe, von Pater Tromp, vom Heiligen Offizium. In Wirklichkeit ist dann das Gegenteil in Milwaukee geschehen: Gerade durch das Exil ist er als Vater ganz neu in die Mitte gerückt, gerückt worden.
Ein „Wunder der Heiligen Nacht“ am 24.12.1965
Dann der vierte Meilenstein: Heimkehr! Audienz beim Hl. Vater, Wunder der Heiligen Nacht am 24.12.1965! Wir schauen auf das Bild unseres Vaters im Urheiligtum: Was mag da durch sein Herz gegangen sein nach diesen langen Jahren einer bewegten Geschichte, vom ersten Hineinleuchten in das Friedhofskapellchen mit der Frage: „Ist das der Ort für die Sendung der Gottesmutter?“ bis zu diesem Abend! So schwere Kämpfe, wie viel Heroismus des Glaubens bis zu diesem Wunder der Heiligen Nacht! Ein Aufleuchten dieser heiligen Geschichte auf dem Antlitz unseres Vaters und Gründers! Ja, so haben wir ihn erlebt, erfahren dürfen, und so habe ich ihn dann auch kennenlernen dürfen: eben in seinen Vorträgen, nicht so sehr in persönlichen Begegnungen, sondern in den großen Tagungen und Exerzitien.
Der Artikel geht weiter und wir werden den zweiten Teil bald veröffentlichen